Robert Klement: Ich will dem Leser ein Stück Realität näherbringen, und zwar ungeschminkt. Man muss dem Leser die Wahrheit sagen, auch wenn sie schmerzlich ist. Man kann 13- oder 14-Jährigen zumuten, sich mit dem Inhalt dieses Buches zu beschäftigen. Ich finde es traurig, dass das, was die jungen Leute umgibt, im Jugendbuch immer weniger vorkommt. Die Verlage setzen auf Fantasy. Unsere Welt, die Realität, wird ausgeblendet. Man kann aber Jugendlichen sehr wohl sozialkritische Themen vermitteln, es kommt darauf an, wie man es macht.
Ich stelle mich nicht vor die Klasse und sage: Flüchtlingsgeschichte. Ich beginne mit der Liebesgeschichte zwischen Shara und Stany. Dann kommen die Fragen von selbst, z.B. warum sie auf dieses Boot geraten sind. Die jungen Leute haben auch ein Gespür für authentische Texte.
Durch den Verein Ute Bock wurden mir Gespräche vermittelt. Ich habe mich in Neapel umgesehen und auf Plantagen mit Leuten gesprochen. Auf Lampedusa zu recherchieren war schwierig, ins Lager kommt man nicht. Ich bemühe mich Schauplätze möglichst genau zu beschreiben, die meisten Personen meiner Romane existieren wirklich.
Es muss zum Schluss etwas Positives kommen. Man kann den Leser nach 140 Seiten nicht deprimiert entlassen. Die beiden Hauptpersonen leben heute tatsächlich in Kanada. Tatsache ist, dass alle Flüchtlinge mit der Hoffnung aufbrechen, dass sie es schaffen werden. Im Verhältnis stimmen die Realitäten. Einer kommt durch und sieben schaffen es nicht.
Mit Büchern kann man die Welt nicht verändern. Aber sie können zu ganz kleinen Schritten anregen. Mich fragen Jugendliche: Was kann man tun? Ich sage: Noch höhere Zäune lösen das Problem sicher nicht. Es lässt sich nur lösen, indem man in Afrika Verhältnisse schafft, die eine Flucht unnötig machen. Fair-trade-Produkte zum Beispiel sind eine unter vielen Möglichkeiten.
Ja, für die Schwachen einzutreten und denen eine Sprache zu geben, die sich selbst nicht helfen können, das liegt in meiner Familie. Ich bin seit vielen Jahren Amnesty-Mitarbeiter und unterstütze die Brasilienhilfe von Pater Leeb.
Mich reizen fremde Länder und ich möchte sie den Lesern näherbringen. Kinder in Brasilien können nur in Banden überleben. Sie möchten gerne in die Schule gehen und Lesen lernen. Für unsere Kinder ist das eine richtige Gegenwelt. Aber man muss nicht in den Himalaya fahren, um eine packende Geschichte zu schreiben.
Unterhaltung und Spannung sind wichtig. Ein Buch muss einen Sog ausüben wie ein nahender Wasserfall. Zum Krimi „Ein Schloss in Schottland“ habe ich 150 Briefe bekommen. Die sind für mich fast auch ein Staatspreis. Genau dieses Feedback braucht ein Autor. Auch Leseverweigerer in den dritten Leistungsgruppen Deutsch haben ein Anrecht auf Bücher. Wenn Lehrer zu mir kommen und erzählen, sie hätten das „Schloss“ mit der dritten Gruppe gelesen, dann stehe ich voll dahinter, da können Kritiker diese Bücher schlecht machen, wie sie wollen.