„Diese langhaarigen Schreihälse wird es höchstens ein paar Jahre lang geben“, sagte mein Musiklehrer als
ich 14 war. Er sollte recht behalten. Und doch hat er sich gewaltig geirrt.
Die Beatles gelten heute als erfolgreichste Band der Musikgeschichte. Sie haben sich schon vor einem
halben Jahrhundert aufgelöst, doch die Begeisterung für die Pilzköpfe ist in ihrer Heimatstadt Liverpool
noch immer riesengroß.
Man kommt am „John Lennon Airport“ an, echte Fans checken im „Hard Days Night“-Hotel ein, wo jede
Ecke an die Beatles erinnert. Dort erzählen sich alte Damen beim Afternoon-Tea, wie schwärmerisch sie
einst in Paul McCartney verliebt waren.
In den zahlreichen Fanartikel-Shops Liverpools tummeln sich ausschließlich junge Leute. Bei den
Beatles-Statuen am Hafen machen Teenager Selfies und verschicken sie per WhatsApp an ihre Großeltern.
Mädchen aus Osaka, Japan, kreischen vor Begeisterung, weil sie für ein österreichisches Jugendmagazin
fotografiert werden.
„Ich höre Hip-Hop, aber ihre Musik und einige Songtexte finde ich interessant“, meint der 15-jährige
Sven aus Berlin. Er ist mit seiner Klasse auf England-Tour. Sven hat Beatles-Videos auf YouTube gesehen
und ist durch Liverpool erstmals auf diese Pop-Formation aufmerksam geworden. Die Beatles sind für ihn
so sehr Vergangenheit wie Wolfgang Amadeus Mozart, von dem er auch nicht weiß, wann er gelebt hat.
Die Straßenmusikanten spielen hier Beatles-Songs. Sie wissen, was die Touristen hören wollen. An der
Anfield Road werden nach einem Match des FC Liverpool Beatles-Lieder gespielt und die Fans der „Reds“
singen begeistert mit. Die Stadt verdient mit dem Beatles-Tourismus eine Menge Geld. Und, kein Witz, man
kann die Beatles sogar an der University of Liverpool studieren. Dort wird ein Studiengang mit
Master-Abschluss angeboten, der sich ausschließlich den vier berühmtesten Söhnen der Stadt widmet.
Das Beatles-Museum im Albert Dock zeigt die Anfänge der Fab (fabulous) Four. Höhepunkt jeder
Fan-Reise ist die zweistündige „Magical Mystery Tour“ im grell bemalten Reisebus. Tourguide Ross bringt
seine Gäste zu allen wichtigen Orten der Bandgeschichte wie der Penny Lane und zum ehemaligen Waisenhaus
Strawberry Fields, beide in berühmten Songs verewigt. Die Touristen aus Brasilien, Südafrika, Australien
und Indien verharren andächtig vor den Häusern, in denen Paul und John aufgewachsen sind. Natürlich wird
auch der Cavern Club besucht, in dem die Beatles ihre steile Karriere begonnen haben.
Aber schon nach wenigen Jahren wollte die Band keine Livekonzerte mehr geben. Die Polizei konnte die tobenden Fans nicht mehr im Zaum halten und die Mädchen fielen reihenweise in Ohnmacht. Nach nur zehn Jahren gingen die vier Musiker getrennte Wege und starteten erfolgreiche Solokarrieren. Heute rocken die alten Herren von den Rolling Stones noch immer round the world, während von den Beatles nur mehr zwei leben. John Lennon wurde 1980 von einem geistig verwirrten Jugendlichen erschossen. George Harrison verstarb 2001, Ringo Starr ist 78, Paul McCartney 76 Jahre alt.
Für die Musikkritiker sind sie unsterblich, da sie immer wieder eine neue Generation inspirieren.
Evergreens wie „Yesterday“ werden noch heute von Sängern interpretiert und es gibt viele Coverversionen
ihrer Hits.
Am Abend wartet die Beatles-Show „Let It Be“ im Empire Theater. Ganz schön anstrengend, so ein
Beatles-Fan zu sein.