Nachdem der (Kinder-)KURIER den starken Text der 18-jährigen Hannah Oppolzer mit ihren Gedanken
nach einem Besuch der KZ-Gedenkstätte Mauthausen veröffentlicht hatte, meldete sich ein engagierter,
ehemaliger Lehrer aus Niederösterreich. Robert Klement, der auch mehr als ein Dutzend Kinder- und
Jugendbücher, teils preisgekrönte, veröffentlicht hat, war in seiner pädagogischen Laufbahn mehr als ein
halbes Dutzend Mal mit Klassen in Mauthausen. 1973 war er einer der ersten die das gemacht haben. „Meine
damaligen Vorgesetzten, alles stramme „Pflichterfüller“, haben gemeint, ob das notwendig sei, denn die
Schüler hätten doch mit der damaligen Zeit nichts zu tun.“ Heute ist das keine Frage mehr.
Auf Bitte des Kinder-KURIER übermittelte der pensionierte Lehrer und Autor einerseits einige Zitate
aus Aufsätzen, die Schüler_innen nach dem Besuch der Gedenkstätte verfasst hatten: „Lieber Gott, wo
warst du, wo bist du? Wie kann man jetzt noch glauben?“ oder „Das erschütterndste, bedrückendste
Erlebnis in meinem Leben!“
Klement schildert: „Ich habe erlebt, dass Mädchen in der Gaskammer in Tränen ausgebrochen sind. Aber
man muss der Jugend die Wahrheit sagen, auch wenn es in Einzelfällen oft verdammt wehtut.“
Seine Meinung: „Mauthausen ist für 14-jährige Schüler grenzwertig, es ist aber das, „was bleibt“ von
jahrelangem Geschichtsunterricht. Bei Klassentreffen kommt die Rede nach 20 oder 30 Jahren immer bald
auf den damaligen KZ-Besuch. Mauthausen vergisst niemand!
Mauthausen bleibt aber ein bloßes Strohfeuer, wenn es keine ausreichende Vor- und Nachbereitung
durch Lehrer/innen gibt. Es muss eine rational-kritische Auseinandersetzung mit den Themen Faschismus,
Gewalt, Rassismus, Verführbarkeit, Toleranz, Fremdenfeindlichkeit usw. geben“, so der St. Pöltner, der
in einem Gastbeitrag für das „Profil“ (2. Dezember 1985) die damals noch oft unzureichend pädagogisch
vor- und aufbereiteten Besuche der Gedenkstätte kritisierte.
Klement fragte auf KiKu-Ersuchen einige seiner ehemaligen Schüler_innen, ob sie für Interviews
bereit wären. Im folgenden drei Gespräche.
Elisabeth Wimmer (56) war „mit ungefähr 14 Jahren, so genau weiß ich das heute nicht mehr mit der
Klasse“ zum ersten Mal im ehemaligen Konzentrationslager Mauthausen. „Bei unserem Geschichtslehrer
Robert Klement haben wir vor dem Besuch einiges an Informationen gelernt. Aber so richtig vorstellen hab
ich mir das erst können, als wir dort waren. In Erinnerung geblieben ist mir vieles. Ein erster arger
Eindruck war, als wir in die Holzbaracken gegangen sind, wo die Häftlinge geschlafen haben. Es war
düster, finster und dann diese Holz-Stockbetten. Da hab ich mich so richtig reinversetzen können, wie
arm die Leute dort waren. Arg waren aber auch die Öfen, wo die Leichen verbrannt worden sind.
Bis heute aber ist mir vor allem in Erinnerung geblieben eine kleine Kammer, nicht viel größer als
eine Klomuschel wo einzelne Häftlinge reingesetzt worden sind und ihnen Wasser auf den Kopf getropft
worden ist. Das muss sie ja irre gemacht haben.
Total schlimm erinnere ich mich auch noch an den Steinbruch, wo wir die Stiegen runter gegangen
sind. Das muss so furchtbar gewesen sein, dort die Steine rauf zu schleppen. Da kommen mir heute noch
die Tränen, wenn ich dran denke. Auf der Todesstiege konnte man sich so richtig reinversetzen in die
Lage der Menschen im Lager.
Ich finde, alle jungen Leute sollten Mauthausen anschauen, damit alle wissen, dass so was nie wieder
vorkommen soll.“
Die Beschäftigte in der Materialwirtschaftsabteilung des Universitätsklinikums St. Pölten ist in
Sorge, „dass es heute nicht so weit hergeholt ist, dass so etwas wieder passieren könnte“. Woran sie das
beobachte: Na, zum einen sind viele Leute unzufrieden, obwohl es ihnen gut geht. Nicht dankbar und so
voller Neid und Gier. Sie wollen immer mehr und mehr haben, nur ja nicht teilen. Und auf der anderen
Seite gibt es die Hetze gegen andere. Noch dazu geht das über Facebook und dadurch läuft die Hetze auf
Knopfdruck so schnell und so weit.“
Sie habe die „Sorge, die Menschen haben aus der Geschichte nichts gelernt. Das ist traurig, aber ich
habe leider dieses Gefühl. Man muss so aufpassen, weil es geht leider so schnell.“
Anton Heinzl, heute Pressesprecher von Landesrätin Ulrike Königsberger-Ludwig war „schon bevor ich mit
der Schule in Mauthausen war ein oder zwei Mal mit meinen Eltern in der Gedenkstätte. Der 45-Jährige
promovierte Politikwissenschafter, der seit 15 Jahren in der Landesregierung arbeitet, „wusste und
kannte also schon einiges, aber jedes Mal – auch später noch – erfährt man in Mauthausen das eine oder
andere noch nicht bekannte Stück an Geschichte, an Details wie unmenschlich in dieser historischen
Katastrophe gehandelt wurde.
Vor dem Besuch mit der Schule hatten wir uns schon in der Schule im Geschichtsunterricht intensiv
vorbereitet, wir hatten auch Zeitzeugen zu besuch, Überlebende des Holocaust, die uns erzählten und
denen wir Fragen stellen konnten. Beim Besuch mit der Schule war für mich vor allem die Todesstiege neu.
Und dort haben wir ansatzweise mitgekriegt, dass im Konzentrationslager nicht nur Andersdenkende und vor
allem jüdische Bürger weggesperrt worden sind, sondern dass es eigentlich auf Vernichtung hinausgelaufen
ist. Das hat man auch schon als 14-Jähriger gemerkt und vor allem als unfair empfunden. Dass die
Menschen unter ganz schlimmen und gefährlichen Umständen, noch dazu ausgehungert und mit notdürftigster
Kleidung sich zu Tode arbeiten mussten. Dort kannst du doch so schon fast nicht runtergehen, ohne dir
was zu brechen.
Auch in den Gaskammern hast du als Jugendliche/r mitbekommen, wie grausam damals Menschen mit
Menschen umgegangen sind.
Mit jedem Alter, mit zunehmender eigener Lebenserfahrung, weiterem Wissen aus Dokumentationen, neuen
Details wie Kisten mit Flüchtlingen auf die geschossen wurde, weitet sich der Blickwinkel. Vor allem
auch der, dass es nicht nur IN den Konzentrationslager so unmenschlich zugegangen ist. Erst viel später
hab ich von der „Kremser Hasenjagd“ erfahren. Knapp vor Kriegsende hat der Direktor von Stein Gefangene
schon freigelassen. Aber SS und Bevölkerung haben die Menschen gejagt und erschossen.
Sicher, auch heute gibt es ständig auf der Welt Kriege und Genozide, aber in dieser Dimension, die
industrielle Vernichtung? In Österreich glaube ich nicht, dass so etwas noch einmal möglich wäre, obwohl
100-prozentig ausschließen – das trau ich mir nicht zu sagen. Damit sich aber so ein Massenverbrechen
nicht wiederholt, müsste jede Schülerin und jeder Schüler politische Bildung erfahren und jeder Lehrerin
und jedem Lehrer würde es nicht schaden, vorher einmal in die Gedenkstätte des ehemaligen
Konzentrationslagers zu fahren und gesehen zu haben, was da los war.