Das Prasseln des Regens und das regelmäßige Schlagen der Kirchturmuhr hielten Tim wach. Er erhob sich und starrte in die Finsternis, die lähmend über dem Schloss lag. Nach dem heftigen Gewitter fühlte er die Schwärze der Nacht mit doppelter Eindringlichkeit.
Doch Tim war nicht so leicht in Angst zu versetzen. Er war sogar immer von Dingen angezogen worden, die andere Menschen zum Fürchten fanden.
Er konnte seine Erkundungstour nicht länger aufschieben, denn er musste einem möglichen Konkurrenten zuvorkommen. Eine merkwürdige Kraft trieb ihn voran, ließ ihn nicht ruhen. Es war, als sei er Opfer eines Zaubers geworden. Das Secret Chamber, der Schatz des Grafen – sie umgab ein erregendes Geheimnis.
Durch Tims Körper verlief ein Ruck, und er griff entschlossen zur Taschenlampe. Ein Vers aus Shakespeares Schauerdrama „Macbeth“ ging ihm durch den Kopf: „Sei ohne Furcht Macbeth; kein Mensch, den eine Frau geboren, soll jemals Macht über dich haben.“
Ganz recht, kein Mensch konnte ihm Furcht einjagen, ihn beherrschen. Und die Monster waren auf Glamis längst ausgestorben.
Als er vorsichtig die Tür öffnete, fiel sein Blick auf den Baseballschläger, der neben dem Kasten lehnte. Einer plötzlichen Eingebung folgend, schnappte er den Holzschläger und verließ das Turmzimmer.
Der Lichtkegel seiner Taschenlampe bohrte sich in die Dunkelheit. Seine Schritte schienen doppelt so laut zu hallen wie sonst.
Plötzlich blieb er stehen., knipste die Taschenlampe aus, verharrte hinter einer Säule. Er spürte auf einmal, dass er nicht allein war, obwohl er nichts sah und hörte. Es war mehr eine Ahnung, ein Instinkt, der alles in ihm zur Abwehr erweckte.
Nachdem er eine doppelflügelige Tür hinter sich gelassen hatte, war er im Osttrakt angelangt. Der Gang im zweiten Stock war so lang, dass das Licht seiner Taschenlampe nicht bis an sein Ende drang. Sofort begann er mit dem Zählen der Türen. Mit klopfendem Herzen war er beim elften Zimmer angelangt. Zwischen diesen beiden Türmen musste sich das Secret Chamber befinden.
Tim leuchtete die Wände ab, untersuchte die kühlen Mauersteine nach einem Geheimmechanismus. Seinen zitternden Fingern entging nicht die kleinste Unebenheit, doch die Wand war absolut fugenlos. Dann suchte er den Boden Meter für Meter ab. Er war mit dunklen gerillten Steinplatten ausgelegt. Nichts.
Plötzlich hörte er Schritte! Sofort knipste er die Taschenlampe aus und griff nach dem Schläger an der Wand. Geduckt nahm er wahr, dass eine Gestalt am Ende des Ganges herumschlich, jetzt näher und näher kam. Direkt auf ihn zu.
Dann ging alles rasend schnell. Als er mit dem Schläger ausholen wollte, streifte ein heißer, keuchender Atem sein Gesicht. Der Angreifer rammte den Kopf gegen seine Brust, Tim spürte ein zotteliges Fell an seinem Körper.